Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen Partnerschaft der Ingenieure und beratenden Betriebswirte
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SAP Arbeit Management

Leseprobe

Ein Beispiel, wie es nicht sein sollte: Interview mit einem Sachbearbeiter, der seit 2 Jahren mit SAP arbeitet. (Name ist der Redaktion bekannt)

Frage: Sie arbeiten seit zwei Jahren mit dem SAP-System. Sie sind über die Arbeit mit dem System nicht glücklich. Warum?

Antwort: Die Einführung lief schon von Anfang an schief. Das lag daran, dass niemand uns aus der Fachabteilung beteiligen wollte. ja, es war sogar so, dass bewusst alles unternommen wurde, damit wir nicht erfahren, was in dem Projekt abläuft. Einfach unglaublich. Ausbaden mussten wir, d.h. meine Kollegin und ich, dann die vielen Fehlentscheidungen. Meine Kollegin hat deshalb diesen Sommer das Handtuch geworfen, und wenn nicht bald etwas passiert, werde ich auch gehen.

Frage: Woran liegt das?

Antwort: Es gab und es gibt viele Gründe für diese Resignation. Der vielleicht wichtigste: Alle, die das vor 2-3 Jahren verbockt haben, sind noch in Amt und würden und tun einfach so, als wäre nichts geschehen.

Aber einmal ganz von vorne: Unser selbstgeschriebenes Vorgängersystem war sehr fehleranfällig geworden. Eigentlich kamen wir ganz gut damit zurecht, es war ja auch auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten. Dann kam die Entscheidung für SAP, weil wir schon die Finanzbuchhaltung von SAP hatten. Da wir aber niemanden im Haus haben, der sich mit SAP auskennt, wurde ein externer Berater beauftragt, das neue SAP-Modul einzuführen. Er durfte aber mit unserer Abteilung nicht reden, weil wir zu gute Beziehungen zu dem Betriebsrat unterhielten. Die Folge davon war, dass in das SAP-System nur das hineingenommen wurde, was nach Meinung der Geschäftsleitung sein sollte. dass die tatsächlichen Abläufe aber ganz andere waren, wussten die einfach nicht. Das fiel erst auf, als wir in der Fachabteilung Änderungen von 80% und mehr hatten.

Später, eigentlich erst nach der missglückten Einführung, stellte man dann fest, dass der Berater das SAP-System gar nicht richtig gekannt hat. Er hat entscheidende Einstellungsmöglichkeiten nicht gekannt und dann Funktionen durch harte Modifikationen realisiert. Das ist erst aufgefallen, als schon vieles schiefgelaufen war. Jetzt müssen diese ganzen Änderungen Schritt für Schritt wieder herausgenommen werden.

Zu alledem kam, dass wir nicht richtig geschult worden sind. Meine Kollegin ist zwar zwei Wochen in Walldorf gewesen, aber verstanden hat sie davon fast nichts. Obwohl sie fachlich top fit war. Ich habe dann gar keine Schulung bekommen. Genauso wenig die Kollegin, die mit mir seit dem Sommer zusammenarbeitet.

Erst langsam stellt sich in Gesprächen mit Kollegen heraus, dass vieles auch einfacher im SAP-System gemacht werden kann als wir dies jahrelang machen mussten. Ich kann gar nicht mehr übersehen, was das an vertaner Arbeitszeit gekostet hat. Wir gehen aber jetzt mit dem neuen Berater auch anders um. Wir löchern ihn solange, bis wir eine Lösung für unsere Probleme haben. Vorher lassen wir ihn einfach nicht gehen.

Frage: Wie konnte sich das alles so entwickeln?

Antwort: Einmal wurde offensichtlich der Schwierigkeitsgrad unterschätzt. Die Einführung und Umstellung erfolgte zuerst in unseren Parallelabteilungen, die jedoch viel einfachere Abläufe haben. Das hat wohl dazu geführt, die schwierigen Fälle in unserer Abteilung zu unterschätzen.

Ein weiterer Grund ist die Abhängigkeit vom Fachwissen. Es war gar nicht möglich zu erkennen, dass der Berater das System auch nicht kannte, bevor alles schief gelaufen war.

Dann kommt noch dazu, dass das obere Management einfach weiterwurstelt, wenn Fehler aufgedeckt werden. Es werden höchstens mal diejenigen gerügt, die auf den Fehler aufmerksam gemacht haben.

Frage: Wie soll oder wie kann es jetzt weitergehen?

Antwort: Erst nachdem sich die Probleme so angehäuft hatten, dass alle Fachkräfte wegzugehen drohten, wurde ein Projekt aufgesetzt, das nun die Versäumnisse nachholen und die Fehler wieder beseitigen soll. Aber das, was wir jetzt in diesem Projekt machen, hätte im Grunde schon vor drei Jahren gemacht werden müssen. Und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob die besprochenen Punkte nun auch wirklich umgesetzt werden. Wir haben zwar lange Mängellisten erstellt, doch ich glaube erst an die Versprechungen, wenn tatsächlich Abhilfe geschaffen wurde.

Aber welche Alternativen habe ich, als hier mitzuarbeiten?