Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen Partnerschaft der Ingenieure und beratenden Betriebswirte
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Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen

Controlling im Versicherungsunternehmen

Vorwort/Einleitung

Effektive Arbeit von Betriebsräten, Wirtschaftsausschüssen und Aufsichtsräten muss sich mit modernen Methoden der Unternehmenssteuerung auseinandersetzen und versuchen, diese auch für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Controlling ist mehr als nur eines der vielen neuen Modewörter, mit welchen Betriebswirte und Unternehmensberater ihre Kreativität unter Beweis stellen wollen. Es ist auch weit mehr als nur Kontrolle, obwohl Controlling für die Arbeitnehmerinnen in der Regel mit Kontrolle verbunden ist. Richtig verstandenes Controlling bildet die Voraussetzung für moderne Unternehmensplanung und Unternehmenssteuerung. Andere Managementmethoden, wie "Lean-Management" bauen darauf auf.

Wenn die Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen Einfluss nehmen will auf Entwicklungen in Unternehmen, wenn sie frühzeitig Schwachstellen und Risiken im Unternehmen erkennen will und darauf reagieren will, dann muss sie sich mit dem Controlling des Unternehmens auseinandersetzen.

Mit diesem Arbeitsheft soll insbesondere Betriebsräten und Arbeitnehmervertreterinnen in Aufsichtsräten der Einstieg in die Thematik erleichtert werden. Die verschiedenen Controlling-Instrumente werden vorgestellt. Ihre Bedeutung für die Arbeitnehmerinnen und ihre Interessenvertretung wird erläutert. Informationsrechte und Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates werden aufgezeigt.

Dieses Arbeitsheft stellt einen weiteren Baustein in unseren Bemühungen dar, praktische Hilfen zum Umgang der betrieblichen Interessenvertretung mit modernen Managementmethoden zu liefern. Betriebsräten, Wirtschaftsausschüssen und Aufsichtsräten soll es so erleichtert werden, möglichst erfolgreiche Interessenpolitik zu betreiben. Für Anregungen und Verbesserungsvorschläge, die gegebenenfalls bei einer Neuauflage berücksichtigt werden können, sind wir dankbar.

Für die finanzielle Unterstützung des Rationalisierungskuratoriums der Deutschen Wirtschaft (RKW) bedanken wir uns an dieser Stelle.

Susanne Hille
Mitglied des geschäftsführenden HBV-Hauptvorstandes

Einleitung

Laufende Veränderungen im Versicherungsbetrieb

Betriebsräte aus Versicherungsunternehmen berichten seit Jahren über eine stetige Veränderung der Arbeitsbedingungen. Die qualitativen und/oder insbesondere quantitativen Leistungsanforderungen an die Beschäftigten steigen ständig. Die Ziele, die zu realisieren sind, werden zunehmend ehrgeiziger abgesteckt. Umfangreiche Rationalisierungen und Maßnahmen zur erheblichen Personaleinsparung bei ständig steigender Produktion und ständig zunehmenden Geschäftsvorfällen sind keine Seltenheit. Arbeitsaufgaben und Arbeitstechnik werden fortlaufend verändert, die Arbeitsabläufe werden zunehmend zeitlich standardisiert. Die edv-gestützte Sachbearbeitung führt zur ständig verbesserten Erfassung der Arbeitsmengen und eröffnet neue Kontroll- und Auswertungsmöglichkeiten. Es werden die bestehenden Organisationsstrukturen verändert, z.B. durch eine neue Kostenstelleneinteilung, durch die Bildung von Cost- und Profitcenter oder durch die Definition "strategischer Geschäftsfelder". Zuständigkeiten und Kompetenzen werden neu definiert, Führungsstile sollen überdacht und verändert werden, um neuen Anforderungen gerecht zu werden und Motivationsschübe zu initiieren. Hit- oder Rennlisten sorgen für Transparenz: Wer ist der beste Verkäufer? In welcher Arbeitsgruppe ist die höchste Produktivität? Wo werden die besten Deckungsbeiträge erzielt? Wer hat die Kosten am besten im Griff? Die Berufstätigkeit wird zum permanenten Wettbewerb um Höchstleistungen, um Einhaltung von Zielvorgaben, um das Erringen von Tabellenplätzen. Ständiges Ertrags- und Kostendenken sollen das Handeln aller Beschäftigten auf allen Unternehmensebenen im Unternehmensinteresse prägen.

Viele dieser kleinen und großen Veränderungen, die Betriebsräte in den Versicherungsbetrieben laufend beobachten oder mit denen sie oft überraschend konfrontiert werden, lassen sich auf das Controlling zurückführen. Controlling - das ist die Summe der Instrumente zur betriebswirtschaftlichen Steuerung und Rationalisierung. Planungs- und Kostenrechnungssysteme sind heute auch Instrumente permanenter Leistungssteigerung. Organisatorische, technische und personelle Veränderungen werden häufig durch das Controlling initiiert.

Controlling für die Betriebsratsarbeit nutzen

Trotz der geschilderten, für die Arbeitnehmerinnen negativen Veränderungen, die auch als Auswirkungen eines konsequenten Controllings zu betrachten sind, ist es für den Betriebsrat weder sinnvoll noch durchsetzbar, das Controlling-System generell abzulehnen. Das Controlling-System kann trotz seiner nachteiligen Auswirkungen auf die Interessen der Beschäftigten nicht nur negativ beurteilt werden: Denn Unternehmen ohne effektive betriebswirtschaftliche Informations- und Steuerungssysteme gefährden ihre Wettbewerbsfähigkeit und Ertragskraft, und Unternehmenskrisen aufgrund von Missmanagement oder einer zu risikoreichen Unternehmenspolitik gefährden die Arbeitsplatzsicherheit, das Einkommen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ebenfalls in erheblichem Maße.

Der Betriebsrat sollte sich grundlegende Kenntnisse über Funktionsweise und Instrumente des Controlling verschaffen. Er sollte Controlling-Informationen anfordern und versuchen, diese für seine Arbeit und Argumentation im Interesse der Beschäftigten zielgerichtet zu nutzen. Hierdurch kann er oft Informationsdefizite und damit oft auch Beratungs- und Verhandlungsnachteile vermeiden. Verschafft sich der Betriebsrat Controlling-Informationen erfährt er häufig die Ursachen und Hintergründe für eine Vielzahl von Veränderungen, die zu mitbestimmungsrelevanten Vorgängen führen. Hierdurch wird eine sachgerechtere Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberseite möglich. Auch kann er bevorstehende Veränderungen u. U. frühzeitiger erkennen und hierdurch wertvolle Zeit für die Gestaltung der Betriebsratspolitik gewinnen. Der Betriebsrat sollte sich deshalb mit dem Controlling-System eher kritisch-konstruktiv auseinandersetzen und versuchen, die Controlling-Abläufe und Controlling-Instrumente, die im Unternehmen vorhanden sind und genutzt werden, in Erfahrung zu bringen.