Personalplanung
Leseprobe
1.7 Rechtliche Rahmenbedingungen
1.7.1 Informationspflicht des Arbeitgebers
Nach § 92 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen und Maßnahmen der Berufsbildung rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Die Unterrichtungspflicht erstreckt sich insoweit auch auf die leitenden Angestellten.
Die Unterrichtung muss anhand von Unterlagen erfolgen. Dabei muss der Arbeitgeber alle Daten übergeben, auf die er seine Personalplanung stützt. Da die Personalplanung eng mit den anderen Teilbereichen der Unternehmensplanung verbunden ist, kann sich die Auskunftsverpflichtung des Arbeitgebers auch auf wirtschaftliche Informationen aus diesen Teilbereichen erstrecken. Insbesondere sind hier die Produktions-, Absatz- und Investitionsplanung zu nennen.
Die Information muss zudem so rechtzeitig erfolgen, dass eine Beratung überhaupt noch möglich und sinnvoll ist. Die Frage der rechtzeitigen Information wird zwischen den Betriebsparteien regelmäßig kontrovers diskutiert. Der Betriebsrat ist bereits zu Beginn des Planungsprozesses, also bereits bei der Ermittlung der Planungsziele zu beteiligen. Denn bereits durch die Definition der Ziele und ggf. damit des Planungsgegenstandes kann die weitere Planung frühzeitig aber nachhaltig beeinflusst werden. Im Anschluss an die Zielsetzung wird geplant, mit welchen Maßnahmen das gesteckte Ziel erreicht werden kann. Das Ergebnis der Planung ist der Plan selbst. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat nur über den fertigen Plan informiert und nur zur Beratung des konkreten Plans bereit ist. Hier kann der Betriebsrat bei wiederholten Verstößen ggf. ein Unterlassungsverfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG gegen den Arbeitgeber einleiten. Da Planung ein kontinuierlicher Prozess ist, der Plan sich also jederzeit ändern kann, ist der Betriebsrat auch über geplante Änderungen unverzüglich zu informieren.
1.7.2 Beratungsrecht des Betriebsrats
Der Arbeitgeber ist nach § 92 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, mit dem Betriebsrat über Art und Umfang der geplanten Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten. Er muss von sich aus jedoch nur dann über die Personalplanung beraten, wenn aus dieser Planung konkrete Maßnahmen erfolgen sollen (BAG, Beschluss vom 6.11.1990, AP Nr. 3 zu § 92 BetrVG 1972). Darüber hinaus kann der Betriebsrat selbst die Initiative ergreifen und mit dem Arbeitgeber alle Aspekte beraten, über die der Arbeitgeber informieren muss. Der Arbeitgeber muss sich mit der Position und den Vorschlägen des Betriebsrats zu der Personalplanung und zu den planerischen Maßnahmen auseinandersetzen. Ferner hat er Fragen wahrheitsgemäß, umfassend und genau zu beantworten.
Dem Betriebsrat muss die Möglichkeit eröffnet werden, durch die Beratung auf den Inhalt der Maßnahmen noch Einfluss zu nehmen. Damit erstreckt sich die Beteiligung aber nicht nur auf das »Wie«, sondern auch auf das »Ob« einer Maßnahme. Auch bereits verworfene Planungsszenarien sind daher mit dem Betriebsrat zu erörtern.
1.7.3 Vorschlagsrecht des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat das Recht, von sich aus Vorschläge für die Einführung und Durchführung einer Personalplanung zu machen. Will der Betriebsrat dieses Recht wahrnehmen, hat er einen im Vergleich zu § 92 Abs. 1 BetrVG weitergehenden Informationsanspruch. So können Unterlagen zu Konzepten des Arbeitgebers, die aber noch nicht umgesetzt werden sollen (auch als sog. Schubladenkonzepte bezeichnet), für die Initiative des Betriebsrats von Bedeutung sein (vgl. Fitting, § 92 Rn. 36). Speziell bei der Frage, ob bestehende Fremdvergaben wieder rück- gängig gemacht werden sollen (Insourcing), kann der Betriebsrat die Erstellung Und Vorlage von Kontrolllisten mit präzisen Angaben über Aufgaben und Arbeitsvolumina der Fremdarbeitsfirmen verlangen (vgl. BAG, Beschluss vom 31.1.1989 -lABR 60/89.).
Der Arbeitgeber muss sich mit den Vorschlägen des Betriebsrats ernsthaft auseinandersetzen. Dies folgt dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. i BetrVG. Zur Umsetzung der Vorschläge ist er jedoch nicht verpflichtet
Bei einer betriebs- oder unternehmensübergreifenden Personalplanung bestehen entsprechende Beteiligungsrechte des Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrats.
1.7.4 Beschäftigungssicherung (§ 92a BetrVG)
Nach § 92a Abs. 1 BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigten machen. Beschäftigungssicherung ist darauf gerichtet, bestehende Arbeitsplätze zu erhalten; Beschäftigungsförderung dagegen soll zusätzliche Arbeitsplätze schaffen bzw. die Zahl der Beschäftigten im Betrieb erhöhen. Der Betriebsrat hat hier ein Initiativrecht. Die Vorschläge des Betriebsrates sind weder vom Gegenstand noch vom Inhalt noch vom Anlass her eingeschränkt, sie müssen sich aber auf den Arbeitgeber beziehen, betrieblich umsetzbar sein und funktional auf die Sicherung und Förderung der Beschäftigung im Betrieb bezogen sein. In der Praxis wird der Betriebsrat immer dann Vorschläge zur Beschäftigungssicherung machen, wenn aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens bzw. des Betriebes Arbeitsplätze gefährdet erscheinen. Vorschläge zur Beschäftigungsförderung werden vermutlich erst dann gemacht, wenn über längere Zeiträume hinweg Mehrarbeit und Überstunden anfallen, um personelle Kapazitätsengpässe auszugleichen.
Mit der Erarbeitung von Vorschlägen zur Sicherung und/oder Förderung der Beschäftigung im Betrieb wird der Betriebsrat in der Regel ohne entsprechende Unterstützung überfordert sein. Nach § 80 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat in erforderlichem Umfang innerbetriebliche sachkundige Auskunftspersonen und gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber auch externe Sachverständige für die Erarbeitung von Vorschlägen heranziehen. Im Tarifgebiet Baden-Württemberg können die Betriebsparteien zusätzlich eine Beratung durch die Tarifvertragsparteien beanspruchen, welche Möglichkeiten zur Beschäftigungssicherung im Rahmen der Tarifverträge bestehen (§ 2 des Tarifvertrags zur Beschäftigungssicherung und zum Beschäftigungsaufbau vom 19. 5. 2012, abgeschlossen zwischen dem IG Metall Bezirk Baden-Württemberg und dem Arbeitgeberverband Südwestmetall).
Auch kann der Betriebsrat die Erarbeitung von Vorschlägen einer Arbeitsgruppe gemäß § 28a BetrVG übertragen. Dazu ist es erforderlich, mit dem Arbeitgeber entsprechende Rahmenvereinbarung abzuschließen. Allerdings kann der Arbeitgeber nicht zum Abschluss einer solchen Vereinbarung gezwungen werden.
Für die Erarbeitung von Vorschlägen zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung im Betrieb benötigt der Betriebsrat bzw. der hinzugezogene Sachverständige oder die eingerichtete Arbeitsgruppe betriebsinterne technische sowie Betriebs- und personalwirtschaftliche Informationen. Nach § 80 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die geforderten Informationen und ggf. Unterlagen im Rahmen des Erforderlichen zur Verfügung zu stellen.
Nach § 92a Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber die Verpflichtung, die Vorschläge des Betriebsrates mit diesem zu beraten. Daraus ergibt sich die Verpflichtung, die Vorschläge des Betriebsrates zu prüfen, also nicht nur entgegenzunehmen, sondern sich mit ihnen inhaltlich auseinanderzusetzen. Die Beratungspflicht besteht nicht, wenn der Betriebsrat nach erfolgter Ablehnung denselben Vorschlag noch einmal macht, ohne dass sich die Umstände geändert hätten. Ist der Arbeitgeber der Auffassung, die Vorschläge beziehen sich nicht auf die Sicherung und Förderung der Beschäftigung im Betrieb, dann besteht ebenfalls keine Beratungspflicht. Da es sich hier aber um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, kann der Betriebsrat ggf. durch das Arbeitsgericht feststellen lassen, dass sein Vorschlag gesetzeskonform ist.
Seiner Beratungspflicht wird der Arbeitgeber nur gerecht, wenn an den Beratungen über die Vorschläge des Betriebsrats auf Arbeitgeberseite kompetente und entscheidungsbefugte Vertreter teilnehmen. Nach § 92a Abs. 2 BetrVG kann sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat zu den Beratungen einen Vertreter der Bundesagentur für Arbeit hinzuziehen. Dies wird immer dann sinnvoll sein, wenn zur Umsetzung der Vorschläge des Betriebsrats auch finanzielle Leistungen der Arbeitsverwaltung nach dem Sozialgesetzbuch (z. B. bei Kurzarbeit, Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen) eingesetzt werden sollen.
Der Arbeitgeber kann die Vorschläge des Betriebsrats ablehnen, wenn er sie für ungeeignet hält, die Beschäftigung im Betrieb zu sichern oder zu fördern. Das Gesetz enthält keine Ablehnungsgründe. Gefordert sind jedoch sachliche Ablehnungsgründe. Diese werden vermutlich auf organisatorischen, technischen und/oder wirtschaftlichen Argumenten basieren. Diese Argumente dürfen jedoch nicht nur behauptet, sondern müssen durch Fakten und Tatsachen anhand nachprüfbarer Unterlagen vom Arbeitgeber belegt werden.
In Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmer/innen muss die Ablehnung schriftlich begründet werden (§ 92a Abs. 2 BetrVG). Ob hier ein Redaktionsversehen vorliegt und analog § 111 Satz 1 BetrVG auf das Unternehmen abzustellen ist muss offenbleiben. Bezüglich der Betriebs- bzw. Unternehmensgröße kann auf die Rechtsprechung des BAG zu § 111 BetrVG Bezug genommen werden. Maßgeblich ist die regelmäßige Beschäftigtenzahl zum Zeitpunkt der Wahrnehmung des Initiativrechts des Betriebsrates.
1.7.5 Planung von Arbeitsplätzen, Arbeitsabläufen und Arbeitsumgebung.
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat frühzeitig und umfassend anhand von Unterlagen über die Planung und Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsabläufen und Arbeitsumgebung informieren (§ 90 Abs. 1 BetrVG). Die Vorschrift ist eng mit der (korrigierenden) Mitbestimmung nach § 91 BetrVG verknüpft. Die geplanten Maßnahmen und ihre (möglichen) Auswirkungen auf die Arbeitnehmer/innen müssen so rechtzeitig beraten werden, dass die Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden können. Ziel ist die optimale Gestaltung der Arbeitsabläufe und der Arbeitsumgebung unter Berücksichtigung der gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse. Bedeutsam in diesem Zusammenhang sind die einschlägigen DIN-Normen, die Sicherheitsbestimmungen der Berufsgenossenschaften, die Arbeitsstättenregeln (vgl. § 3 Abs. 2 ArbStättV) sowie weitgehend die veröffentlichten Forschungsberichte der BAU.
In der Praxis wird dieses Beteiligungsrecht bislang häufig vernachlässigt, obwohl es eine zentrale Bedeutung für die arbeitnehmer- und alternsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen hat.
Im Einzelnen geht es um die Beteiligung des Betriebsrats bei der Planung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Fabrikations-, Verwaltungs- und sonstigen betrieblichen Räumen, um die Planung von technischen Anlagen, die Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen sowie die Planung der Arbeitsplätze.
Die Gestaltung der Arbeit wird dann als menschengerecht angesehen, wenn sie so beschaffen ist, dass sie sich an die physischen und psychischen Eigenschaften, an Leistungsvermögen und Bedürfnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anpasst (vgl. Fitting, § 90 Rn. 38a).
Die Vorschrift des § 91 BetrVG gibt dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung ein echtes und erzwingbares Mitbestimmungsrecht, allerdings unter recht hohen Voraussetzungen. Werden Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung von Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet, kann der Betriebsrat Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen.
Der Betriebsrat kann im Rahmen der Beratungen nach § 90 aber auch nach § 91 BetrVG vielfältige Ziele anstreben. Hinsichtlich der Personalplanung sind dabei insbesondere folgende Ziele bedeutsam: Bei Fließbandarbeiten oder getakteten Arbeitsabläufen sind individuelle Ruhezeiten, z.B. auch durch Möglichkeiten der Arbeitsunterbrechung, auch bei der Personalbedarfsplanung zu berücksichtigen. Abbau oder Verhinderung von monotonen und/oder sinnentleerenden Arbeitsabläufen (sog. Taylorisierung), z. B. durch Gruppenarbeit oder Arbeitsplatzrotation, sowie der Abbau von Schicht- und Nachtarbeit.
1.7.6 Erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats
Zu Einzelaspekten der Personalbedarfsplanung bestehen auch erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, die teilweise aus dem BetrVG und teilweise aus den Tarifverträgen zum Leistungsentgelt herrühren.
Die Einführung oder Anwendung von Zeiterfassungsmethoden nach REFA oder MTM sind - wenn die Ergebnisse dieser Methoden zur Bestimmung von Leistungsentgelten herangezogen werden - nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Einige der Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie (z. B. Entgeltrahmentarifvertrag der Metallindustrie in Niedersachsen) sehen zwingend den Abschluss einer Betriebsvereinbarung vor. Bei Nichteinigung entscheidet die Einigungsstelle oder eine tarifliche Schlichtungsstelle. Teilweise ist auch die Zustimmung der Tarifvertragsparteien zwingend vorgeschrieben.
Werden EDV-Systeme zur Datenerfassung eingesetzt, besteht ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Erfolgt die Datenermittlung ohne EDV, kann der Betriebsrat versuchen, sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geltend zu machen, weil hier Fragen der Ordnung des Betriebs angesprochen sind. Dies ist aber rechtlich umstritten (vgl. Meine/Ohl/ Rohnert 2011, S. 369 f.).