Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen Partnerschaft der Ingenieure und beratenden Betriebswirte
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Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen

Betriebsänderungen, Interessensausgleich, Sozialplan

Leseprobe

2.8 Öffentlichkeitsarbeit

Gerade Betriebsänderungen, die einen Personalabbau beinhalten, finden auch ein immer größer werdendes öffentliches Interesse. Weil die Arbeitgeber dies wissen und gleichzeitig auch immer auf Imagepflege bedacht sind, beeinflussen viele die öffentliche Wahrnehmung gezielt durch professionelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. "Entlassungen" werden so zu "Freisetzungen", "Arbeitsplatzabbau" mutiert zur "Restrukturierung" und "Standortsicherung".

Derartige, in die lokale Presse lancierte Sprechblasen sollen nicht nur in den Köpfen der Außenstehenden und der PolitikerInnen platzen. Sie haben ihre Wirkung auch auf die Beschäftigten selber. Damit kann Entsolidarisierung und Einzelkämpfermentalität in der Belegschaft hervorgerufen werden: Die ArbeitnehmerInnen verlangen plötzlich vom Betriebsrat, schnell mit dem Arbeitgeber Fakten zu schaffen und zu sagen, wie es weitergeht. Diejenigen, die Aussichten auf Weiterbeschäftigung haben, verlangen einen niedrig dotierten Sozialplan, andere ergreifen die erste Gelegenheit beim Schopf und verlassen das – scheinbar – sinkende Schiff.

Dass dies kein geeignetes Milieu für erfolgreiche Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ist, versteht sich von selbst. Deshalb muss der Betriebsrat dem eine eigene Öffentlichkeitsarbeit entgegenstellen. Hier geht es vor allem darum, zu verdeutlichen, dass die vom Arbeitgeber in Aussicht genommene Maßnahme nicht die einzig denkbare Lösung für die Probleme darstellt. Mögliche Alternativen hierzu wird der Betriebsrat aus seiner Kenntnis der betrieblichen Zustände und der meistverschleppten Managementprobleme selbst am besten kennen. Zu deren schlüssiger Entwicklung kann er sich wiederum der Hilfe von Sachverständigen bedienen, weil genau dies das Thema ist, über das er mit dem Arbeitgeber im Rahmen eines Interessenausgleichs reden muss.

Allerdings gibt es einen wesentlichen Nachteil für den Betriebsrat bei der Öffentlichkeitsarbeit: Während der Arbeitgeber völlig frei entscheiden darf, weiche Informationen er der Öffentlichkeit weitergibt, unterliegt der Betriebsrat hier der Beschränkung durch § 79 BetrVG. Danach darf er Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die der Arbeitgeber als solche bezeichnet hat, nicht gegenüber Dritten offenbaren. Da Arbeitgeber in dieser Situation sehr großzügig damit sind, einzelne Informationen als geheimhaltungsbedürftig zu kennzeichnen, entsteht immer eine unsichere Lage für den Betriebsrat. Zwar ist nicht alles ein Geschäftsgeheimnis, was der Arbeitgeber als solches bezeichnet - zumal nicht gegenüber den Beschäftigten selbst, da z.B. Personalabbau das Interesse des Einzelnen ganz unmittelbar berührt und Stillschweigen eher den Vertretungsauftrag des Betriebsrats verletzen würde. Jedoch ist es für die Verhandlungen von lnteressenausgleich und Sozialplan keineswegs förderlich, wenn gleichzeitig auch noch Amtsenthebungs- oder sogar Strafverfahren wegen Geheimnisverrats geführt werden - gleich mit welchem Ausgang.

Im Übrigen hat das BAG dem Betriebsrat grundsätzlich kein Recht zugestanden, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, solange der Arbeitgeber hierfür keinen Anlass gegeben hat (BAG 8.9.1991, FzA § 40 BetrV6 1972 Nr. 67). Dieses Problem bekommt er jedoch in den Griff, wenn er eines der bereits beschriebenen Gerichtsverfahren führt. Innerhalb des Gerichtssaals darf offen über die vom Arbeitgeber als Geheimnis bezeichneten Angelegenheiten gesprochen werden. Das Verfahren kann auch angestrengt werden, um feststellen zu lassen, ob hinsichtlich der Informationen wirklich Geheimhaltungsbedarf besteht. Da die Gerichtsverhandlung öffentlich ist, müssen zu ihr nur noch die VertreterInnen der örtlichen Presse eingeladen werden.

Auch die Betriebsversammlung ist ein wichtiges Instrument, um beim Kampf um die Köpfe nicht ins Hintertreffen zu geraten. Diese muss allerdings so vorbereitet sein, dass nicht der Arbeitgeber sie mit seinen Positionen dominiert. Selbst wenn im betreffenden Kalendervierteljahr schon eine Betriebsversammlung stattgefunden hat, kann der Betriebsrat eine zusätzliche gern. § 43 Abs. 1 S. 4 BetrVG während der Arbeitszeit durchführen. Zur Durchführung einer solchen weiteren Versammlung existiert zwar eine äußerst einschränkende Rechtsprechung des BAG (23.10.1991, EzA § 43 BetrVG 1972 Nr. 2).

Der Betriebsrat wird jedoch hier auf der sicheren Seite sein, wenn er zum Thema dieser Versammlung ausdrücklich die Diskussion der Strategie des Betriebsrats bei der anstehenden Betriebsänderung macht. Eine Verständigung hierüber ist in einem sehr frühen Stadium der Verhandlungen erforderlich. Keinesfalls sollte Hauptthema die Weitergabe von Informationen durch den Arbeitgeber an die Beschäftigten sein. Eine solche Versammlung könnte der Arbeitgeber ohne Probleme blockieren, indem er vorher ankündigt, keine neuen Tatsachen mitteilen zu können oder aber diese vorher schriftlich an die Belegschaft gibt. Der wesentliche Vorteil einer Betriebsversammlung, die Verständigung über gemeinsame Ziele und die Solidarisierung, würde damit vereitelt.