Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen Partnerschaft der Ingenieure und beratenden Betriebswirte
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Controlling im Versicherungsunternehmen

Leseprobe

In den nachfolgenden Abschnitten sollen die wesentlichen Informations-, Beratungs-. und Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrates, des Wirtschaftsausschusses und des Aufsichtsrates bezüglich des Controlling dargestellt werden. Hierbei geht es entweder darum, die Interessen der Beschäftigten vor nachteiligen Auswirkungen des Controlling zu schützen (z.B. Verarbeitung personenbezogener Daten, Leistungsintensivierung u.a.m.) oder darum, sich Controlling-Informationen (z.B. Plandaten, Ertragsentwicklung u.a.m.) für die Mitbestimmungsarbeit nutzbar zu machen. (Abb.35).

5.1 Bedeutung des Controlling für Beschäftigte und MitbestimmungsträgerInnen

Wie gezeigt, zielen die Controlling-Instrumente auf eine systematische Nutzung aller Kosteneinsparungs- und Rationalisierungspotentiale bei gleichzeitiger Nutzung aller Leistungsreserven ab. Controlling-Systeme können somit zur erheblichen Gefährdung der Interessen von ArbeitnehmerInnen in den Bereichen

  • Beschäftigung
  • Einkommen,
  • Arbeitszeit,
  • Arbeitsbedingungen,
  • Qualifikation,
  • Sozialleistungen
  • Mitbestimmung,
  • und Umwelt führen.

Signalfunktion für die Mitbestimmungsarbeit

Controlling-Informationen sind grundlegend für die strategische und operative Führung des Unternehmens. Aus diesen Informationen resultieren vielfältige Entscheidungen mit Auswirkungen auf Leistungsanforderungen, Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation, Arbeits- zeit- und Einkommensgestaltung, Technik- und Personalausstattung sowie auf die Unternehmens- und Organisationsstrukturen, die für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsaufgaben von Bedeutung sind. Controlling-Informationen beinhalten wirtschaftliche Plan- und Ist-Entwicklungen. Ihre Kenntnis ist erforderlich, um

  • geplante und tatsächliche Entwicklungen selber analysieren zu können,
  • Gefahren für die Interessen der Beschäftigten frühzeitig erkennen zu können,
  • sich auf mögliche Veränderungen im Unternehmen rechtzeitig einstellen zu können,
  • Themen und Probleme selbst aufzugreifen und auf für die Beschäftigten verträgliche Lösungen zu drängen,
  • Durchsetzungschancen für Betriebsratspositionen einschätzen zu können,
  • die aktuelle und zukünftige wirtschaftlichen Lage des Unternehmens besser beurteilen zu können,
  • Betriebsratsforderungen auch betriebswirtschaftlich begründen zu können.

Kostentransparenz auch für den Betriebsrat

MitbestimmungsträgerInnen sollten Controlling-Informationen anfordern und für die Durchsetzung von Interessen der Arbeitnehmer- Innen zu nutzen versuchen. Selbstverständlich verursachen Forderungen der Beschäftigten Kosten, auch und gerade solche Kosten, die das Controlling einsparen will, z.B. im Personalbereich. Aus den Controlling-Zahlen kann der Betriebsrat u.U. ableiten, dass sich das Unternehmen höhere Kosten leisten könnte, sich aber zu Gunsten seines Gewinns nicht leisten will.

Controlling-Berichtswesen

Kenntnisse über den Aufbau des Controlling-Berichtswesens sind deshalb für den Betriebsrat und den Wirtschaftsausschuss sowie die ArbeitnehmerInnenvertretung im Aufsichtsrat besonders wichtig. Die regelmäßigen Berichte für die verschiedenen Unternehmensebenen zeichnen ein genaues Bild der jeweils aktuellen wirtschaftlichen Situation im Soll-Ist-Vergleich und im Abgleich zu den Vorjahreswerten. Sie enthalten zudem häufig eine Kommentierung und darüber hinaus Einschätzungen über zukünftige Entwicklungen und einzuleitende Maßnahmen, so dass aus ihnen sowohl Risiken für die Beschäftigten als auch auf den Betriebsrat zukommende Aufgaben erkennbar werden.

Kaum Raum für Interessen der Beschäftigten

Controlling-Informationen sind an den Gewinninteressen des Unternehmens ausgerichtet. Sie folgen einer betriebswirtschaftlichen Sachlogik, in der für die Interessen der Beschäftigten kein Raum ist, zumindest soweit diese zu den angestrebten Gewinn- und Kosten- zielen in Konflikt stehen.

MitbestimmungsträgerInnen dürfen sich von der gewinnorientierten Sachlogik der Controlling-Informationen jedoch nicht vereinnahmen lassen. Nicht jeder Verlust in irgendeinem Teilbereich ist für das Unternehmen existenzbedrohend, nicht jeder Kostenanstieg verursacht nicht mehr zu verkraftende Gewinnminderungen. Der Betriebsrat sollte deshalb Controlling-Informationen auch nutzen, um zu einer eigenen Beurteilung der wirtschaftlichen Lage zu kommen, und diese wenn erforderlich offensiv vertreten.

Einflussnahme auf die Unternehmensplanung

Von besonderer Bedeutung für die Mitbestimmungsarbeit sind Planinformationen, da sie Zielsetzungen und zukünftiges Handeln beinhalten. Mitbestimmen heißt, die Unternehmensplanung im Interesse der Beschäftigten zu beeinflussen. Aus dieser Sicht wird die Unternehmensplanung zum entscheidenden Ansatzpunkt für die Mitbestimmungsarbeit. Kenntnisse über Planungsinhalte und Planungsabläufe setzen die MitbestimmungsträgerInnen in die Lage, ihre Rechte rechtzeitig im Planungsprozess geltend zu machen. Demzufolge muss der inhaltliche, organisatorische und zeitliche Ablauf der Planung bekannt sein, um rechtzeitig Planinformationen zu verlangen und die Arbeitgeberplanung beeinflussen zu können.

Die MitbestimmungsträgerInnen brauchen einen Überblick darüber,

  • welche Planungen vorgenommen werden,
  • wann die unterschiedlichen Planungen durchgeführt bzw. fortgeschrieben und aktualisiert oder überarbeitet werden,
  • wer an der Erstellung der verschiedenen Planungen beteiligt ist.

Strategische Zielsetzungen bewirken langfristige Veränderungen im Unternehmen. Je früher der Betriebsrat hierüber informiert ist, desto eher kann er versuchen, darauf Einfluss zunehmen, dass diese Veränderungen möglichst ohne Nachteile für die Beschäftigten vollzogen werden. Werden im Rahmen der strategischen Planung zum Beispiel neue Unternehmensschwerpunkte definiert, neue Geschäftsfelder festgelegt oder andere Vertriebsstrukturen diskutiert, dann kann der Betriebsrat initiativ werden und darauf drängen, dass frühzeitig z.B. die wirtschaftlichen und personellen Konsequenzen offengelegt und mit ihm beraten werden. Bei Kenntnis der strategischen Planung können vom Betriebsrat Einzelmaßnahmen des Arbeitgebers auch eher in einen größeren Zusammenhang gestellt und besser beurteilt werden. Hierdurch können sich für den Betriebsrat auch bessere Beratungspositionen und Handlungsmöglichkeiten ergeben.

Investitionen, Wachstum, Personalbedarf dun Kostenplanung

Aus den Kenntnissen zur operativen Planung kann der Betriebsrat vor allem auf kurzfristig bevorstehende Veränderungen schließen. Die Investitionsplanung gibt z.B. Aufschluss über bauliche oder technische Veränderungen, die bevorstehen. Hierdurch können sich gravierende Veränderungen ergeben bezüglich des Personalbedarfs, der Qualifikationsanforderungen oder der Arbeitsbedingungen.

Von besonderer Bedeutung sind auch die marktbezogenen Planungen für das nächste Jahr in ihrer Detaillierung für die einzelnen Unternehmensbereiche. In der Umsatz- oder Vertriebsplanung wird das geplante Unternehmenswachstum erkennbar. 1.d.R. nimmt durch Wachstum die Zahl der zu bearbeitenden Vorgänge zu. Realisieren sich die geplanten Wachstumszahlen, dann bedeutet dies oft, dass bei einer unveränderten Personalstärke die Leistungsanforderungen im Geschäftsjahresverlauf weiter steigen werden. Betriebsräte müssten darauf drängen, dass eine den Wachstumszielen angemessene Personalaufstockung in der Personal(kosten)planung bereits berücksichtigt ist, sollen die Leistungsanforderungen nicht mit jedem Wachstumsziel weiter steigen.

Besondere Aufschlüsse über die zukünftige Personalsituation gibt die kostenstellenbezogene Kostenplanung. Verminderte Personalkostenplanansätze bedeuten personalwirtschaftliche Veränderungen infolge von Nichtwiederbesetzung der durch Fluktuation frei werdenden Arbeitsplätze oder Versetzungen in andere Abteilungen oder Unternehmensbereiche bis hin zum Personalabbau durch betriebsbedingte Aufhebungsverträge oder Kündigungen.

Beteiligung des Betriebsrates an der Unternehmensplanung

Plan-Informationen strategischer wie operativer Art geben folglich dem Betriebsrat vielfältige Ansatzpunkte, die Interessen der Beschäftigten rechtzeitig zu vertreten. Sie verhindern, dass der Betriebsrat vom Arbeitgeber durch zu späte Informationen über bevorstehende Veränderungen beständig unter Zeitdruck gesetzt wird. Sie verhindern ebenso wie für die Arbeitgeberseite die Nachteile verspäteter Reaktionen durch ein "Management by Surprise". Das rechtzeitige Erlangen von Planinformationen vor Abschluss der Planungs- verfahren ist demnach die Voraussetzung für den Betriebsrat, sich in den Zielsetzungs- und Planungsprozess einmischen zu können. Hierzu können auch die Möglichkeiten im Wirtschaftsausschuss und im Aufsichtsrat systematisch genutzt werden.

Das Planungs- und Berichtswesen eines Versicherungsunternehmens ist auch zur Grundlage für die Information des Wirtschaftsausschusses und für die Information der ArbeitnehrnerInnenvertretung im Aufsichtsrat zu machen. Denn schließlich liefern Berichts- und Planungswesen die steuerungsrelevanten Informationen über die aktuelle und geplante wirtschaftliche Entwicklung, nach denen der Vorstand seine wirtschaftlichen Entscheidungen trifft. Nur bei Kenntnis dieser Informationen können die Mitglieder im Wirtschaftsausschuss und die ArbeitnehmerInnenvertretung im Aufsichtsrat wirtschaftliche Entscheidungen nachvollziehen und beurteilen und ihre Beratungsrechte inhaltlich korrekt wahrnehmen, um gegebenenfalls aus der Perspektive der Beschäftigten Entscheidungen zu verändern. Insbesondere auch für die Gestaltung der Sitzungsinhalte und der Tagesordnungen für den Wirtschaftsausschuss sind die Kenntnisse über Planungsabläufe und Berichtsinhalte wichtig.

Leistungs- und Verhaltenskontrolle

Soll:Ist-Vergleiche zur Steuerung der Vertriebsleistungen und der Betriebsleistungen durch Controlling-Instrumente sind im erheblichem Umfang zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeignet. Da die Controlling-Instrumente den Einsatz der EDV-Technik zu ihrer Grundlage haben, kann das gesamte Controlling-System als eine technische Einrichtungen betrachtet werden, das Möglichkeiten zur detaillierten Leistungs- und Verhaltenskontrolle bietet. Leistungs- und Verhaltenskontrollen dienen sowohl der Beurteilung als auch der Beeinflussung des Arbeits- und Leistungsverhaltens der Beschäftig ten. Sie erfolgen im Rahmen des Controlling-Systems, um aus Unternehmenssicht Motivation und Leistungsbereitschaft zu fördern.

Leistungs- und Verhaltenskontrolle findet im Controlling-System ständig statt, denn die laufende Beobachtung der Zielerfüllung in organisatorisch und verantwortlich voneinander abgegrenzten Teilbereichen ermöglicht diverse Rückschlüsse auf die in diesen Teilbereichen Beschäftigten und den dort tätigen VerantwortungsträgerInnen. Je umfangreicher die Controlling-Datenbasis und umso detaillierter die Auswertungsmöglichkeiten sind, desto mehr wird das Controlling-System auch zu einem Leistungs-und-Verhaltens-Kontroll-System. Zur Beurteilung der Möglichkeiten zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch das Controlling sind die Basisdaten, die organisatorischen Abgrenzungen der einzelnen Verantwortungsbereiche und die vorgenommenen Auswertungen relevant.

Betriebsräte sollten versuchen, alle arbeitsplatzbezogenen und personenbezogenen Auswertungen bezüglich ihrer unbedingten Erforderlichkeit für die Unternehmenssteuerung kritisch zu hinterfragen. Viele Auswertungen, so ist zu befürchten, sind für die wirtschaftliche Steuerung des Unternehmens oder eines Unternehmensbereichs gar nicht erforderlich.

Die wesentlichen Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates, des Wirtschaftsausschusses und der ArbeitnehmerInnenvertretung im Aufsichtsrat beim Einsatz von Controlling und die diesbezüglichen Rechtsvorschriften sind in der Abb. 35 aufgelistet. Die einzelnen Rechtsvorschriften sollen bezüglich ihrer Relevanz für das Controlling nun kurz erläutert werden.