Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen Partnerschaft der Ingenieure und beratenden Betriebswirte
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Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen

Personalplanung

Leseprobe

3.3   Instrumente/Maßnahme zur vorübergehenden Verringerung der Personalkapazität

Bei einer vorübergehenden Kapazitätsreduzierung kommen vor allem folgende Instrumente/Maßnahmen in Betracht (vgl. Göritz u.a. 2012, S. 260 ff.; Hamm/ Rupp 2010, S. 9 ff.): 

  • Reduzierung der Mehrarbeit
  • Verzicht auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern und Fremdfirmen
  • Arbeitszeitflexibilisierung
  • konjunkturelle Kurzarbeit
  • vorübergehende tarifliche Absenkung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit
  • Angebote an Arbeitnehmer/innen zu unbezahlter Freizeit (z. B. Sabbatical)

Im Folgenden werden die einzelnen Maßnahmen/Instrumente näher beschrieben.

3.3.1 Reduzierung der Mehrarbeit

Mehrarbeit ist diejenige Arbeitszeit, die über die gesetzlich zulässige regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht. Demgegenüber liegen Überstunden bereits dann vor, wenn die tarifliche oder arbeitsvertraglich festgelegte Arbeitszeit überschritten wird (vgl. Buschmann/Ulber 2009, S. 195).

Der Abbau von Mehrarbeit/Überstunden ist eine grundsätzliche gewerkschaftliche Forderung. Die Umsetzungschancen sind gerade im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsänderung, bei der auch ein Personalabbau vorgesehen ist, besonders günstig. Zum einen ist der Hinweis auf geplante Entlassungen ein überzeugender Grund für die Verweigerung der Zustimmung zu Überstundenanträgen des AG, der auch in einem von diesem angestrengten Einigungsstellen-verfahren Bestand haben wird. Zum anderen wird die ablehnende Haltung des Betriebsrats gegenüber Überstunden in einer solchen Situation auch von den Beschäftigten eher akzeptiert.

Um einen geplanten Personalabbau zu verhindern oder zumindest abzuschwächen, ist es erforderlich, vom Arbeitgeber für die zurückliegenden zwölf Monate eine Überstundenstatistik möglichst auf Kostenstellenebene, mindestens jedoch auf der Ebene homogener Arbeitsgruppen abzufordern. Außerdem wird die Planung des Arbeitszeitvolumens für die kommenden zwölf Monate ebenfalls auf Kostenstellen- bzw. Arbeitsgruppenebene benötigt. Anhand dieser Daten und unter Berücksichtigung einer ausreichenden Reservequote, die in Abhängigkeit von den voraussichtlichen Fehlzeiten berechnet wird, kann dann der Umfang der durch den Überstundenabbau gesicherten Arbeitsplätze abgeschätzt werden (vgl. Göritz u. a. 2012, S. 260 f.).

3.3.2 Verzicht auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern und Fremdfirmen

Unter Fremdfirmeneinsatz ist jede Form des Personaleinsatzes in einem Betrieb zu verstehen, bei denen die Personen, die die Arbeitsleistung faktisch erbringen, in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber stehen. Übliche Formen sind Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung in Form von Leiharbeit. Die Zulässigkeit einer Arbeitnehmerüberlassung richtet sich nach den Bestimmungen des AÜG.

Ziel der Rücknahme von Fremdaufträgen ist die Rückverlagerung von Arbeit in den Betrieb (Insourcing) und damit die Sicherung bestehender oder die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze im Betrieb. Eine Auswertung von Betriebsvereinbarungen zur Beschäftigungssicherung zeigt, dass es Betriebsräten zunehmend gelingt, betriebsbedingte Kündigungen dadurch zu verhindern, dass bislang fremd vergebene Aufträge wieder zurück geholt werden, um die Stammbelegschaft beschäftigen zu können (vgl. Laßmann/Rupp 2010). Allerdings darf der betriebsegoistische Charakter dieser Maßnahme, die Beschäftigungsprobleme lediglich auf Dritte abwälzt, nicht verkannt werden (vgl. RKW 2003, S. 211). Daher sollte von dieser Möglichkeit - die betriebliche Voraussetzungen in personeller, qualifikatorischer, technischer und kapazitätsmäßiger Hinsicht unterstellt - nur nach intensiver Beratung und Hinzuziehung der Gewerkschaft Gebrauch gemacht werden. Auch aus gewerkschaftlicher Sicht wünschenswert ist die Rücknahme von Arbeiten an Fremdfirmen in all den Fällen, in denen diese gegen Vorschriften des Arbeitsschutzes und der Arbeitszeitordnung verstoßen, ihren Beitrags- und Abgabepflichten im Hinblick auf die gesetzliche Sozialversicherung nicht nachkommen und ihre Arbeitsbedingungen unter dem Niveau branchenüblicher Tarifverträge liegen.

Gelingt es, dass Arbeiten nur an jene Firmen vergeben werden, die solche Mindestbedingungen erfüllen, dann wird voraussichtlich ein nicht unbeträchtlicher Teil von bisher an Fremdfirmen vergebenen Arbeiten auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten in Eigenleistung erbracht werden können (vgl. Göritz u.a. 2012, S. 262 f.).

Abgesehen davon, dass es erklärte gewerkschaftliche Politik ist, Fremdfirmeneinsatz in all seinen sozialschädlichen Formen zurückzudrängen, ist die Situation zur

Durchsetzung dieser Forderung gerade im Zusammenhang mit einem geplanten Personalabbau im Rahmen von Verhandlungen über einen Interessenausgleich zur Sicherung bestehender und Schaffung neuer Arbeitsplätze besonders günstig. Daneben hat der Betriebsrat aber auch nach § 99 BetrVG i. V. m. §§ 92, 93, 95 und 102 BetrVG eigenständige Beteiligungsrechte.

Weiterführende Hinweise zu Werkverträgen und anderen Formen prekärer Beschäftigungsverhältnisse enthält die IG Metall Handlungshilfe Nr. 30: Leiharbeit, Werkverträgen, Leiharbeit und andere prekäre Beschäftigungsverhältnisse.

3.3.3 Arbeitszeitflexibilisierung

In vielen Betrieben werden flexible Arbeitszeitmodelle praktiziert, die den Aufbau von Arbeitszeitguthaben bzw. die Bildung von Minussalden zulassen. Hier sollten zuerst Guthabenstunden abgebaut und Minussalden ausgeschöpft werden. Der Umfang der zulässigen Minusstunden kann aus Anlass einer Unterauslastung auch erweitert werden (vgl. Hamm/Rupp 2010, S. 10). Die tariflichen Bestimmungen sind zu beachten. Von ihnen kann nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien abgewichen werden.

3.3.4 Konjunkturelle Kurzarbeit

Kurzarbeit bedeutet, dass die betriebliche Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum reduziert und das Entgelt entsprechend abgesenkt wird. Die arbeitsvertraglichen Pflichten ruhen teilweise vorübergehend. Der Arbeitgeber kann Beschäftigte aber nur unter bestimmten Voraussetzungen in Kurzarbeit schicken. Insbesondere ist die Einführung von Kurzarbeit ohne Beteiligung der Gewerkschaft und/oder des Betriebsrats nahezu ausgeschlossen. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG kann durch tarifvertragliche Kurzarbeitsklauseln eingeschränkt sein (§ 87 Abs. 1 BetrVG). Der Grundsatz der Tarifautonomie erlaubt es den Tarifparteien, die Einführung von Kurzarbeit und die Entgeltzahlung während der Kurzarbeit zu regeln.

Im Bereich der IG Metall Baden-Württemberg wurde am 31.1. 2012 der Tarifvertrag zu Kurzarbeit und Beschäftigung (Laufzeit bis zum 31.12. 2015) abgeschlossen, der die Mindestbedingungen für die Ein- und Durchführung von Kurzarbeit festlegt und zugleich eine weite Öffnungsklausel für günstigere Regelungen der Betriebsparteien vorsieht.

Ausführliche Informationen und eine Handlungshilfe des IG Metall Vorstandes zum Thema Kurzarbeit sind auf den Internetseiten der IG Metall NRW zu finden:

http://www.igmetall-nrw.de/fileadmin/user_upload/Redaktion/2_Krisenbewa- eltigung/Kurzarbeit/Arbeitshilfe_-_Rechtsinformationen_Konjunkturelle_Kurzar- beit.pdf

Verbessert wurden die Möglichkeiten der Qualifizierung während der Kurzarbeit. Weitergehende Informationen und Handlungshilfen der IG Metall sind im Internet abrufbar unter http://www.igmetall-nrw.de/fileadmin/user_upload/Redak- tion/2_Krisenbewaeltigung/Kurzarbeit_Qualifizierung/Handlungshilfe_-_Qualifizieren_in_der_Krise.pdf.

3.3.5 Angebote an Arbeitnehmer/innen zu unbezahlter Freizeit

In Deutschland ist unbezahlter Urlaub eher eine seltene Erscheinung, da er im Bundesurlaubsgesetz nicht vorgesehen ist und es sich auch wenige Arbeitnehmer/innen aus finanziellen Gründen leisten können. Das Arbeitsverhältnis ruht und es wird seitens des Arbeitgebers keine Entgeltfortzahlung geleistet. Der übliche Kündigungsschutz und Urlaubsanspruch bleiben bestehen.

Darüber hinaus haben sich durch verschiedene Gerichtsentscheidungen folgende Grundsätze herausgestellt:

Wenn jemand während des unbezahlten Urlaubs erkrankt, gibt es keine Entgeltfortzahlung; es besteht kein Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Die Auszahlung von verschiedenen Sondervergütungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, Prämien oder Altersrente hängt vom Arbeits- und/oder Tarifvertrag ab. In der Regel ist die Auszahlung an Zeiten gebunden, in denen das Arbeitsverhältnis nicht ruht. In diesem Fall vermindert sich der Betrag mit der Dauer des unbezahlten Urlaubs und wird dann nur anteilig ausbezahlt.

Beim Thema Sozialversicherung ist größte Vorsicht angebracht. Ein Gespräch mit der Krankenversicherung im Vorfeld des unbezahlten Urlaubs ist unbedingt anzuraten. Für einen Monat nach Antritt eines unbezahlten Urlaubs bleibt der Versicherungsschutz noch bestehen (§ 7 Abs. 3 SGB IV). Wenn jedoch der unbezahlte Urlaub länger dauert, muss spätestens am letzten Tag der Frist eine Abmeldung bei der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen und der Betroffene ist ab diesem Zeitpunkt an nicht mehr sozialversichert, was vor allem bei der Krankenversicherung ein enormes Problem darstellt.

Die Auszeit kann für Weiterbildungen, Umschulungen, Reisen oder Neuorientierung genutzt werden. Um dieses zu ermöglichen, müssen klare Regeln für das Ankündigen und Antreten eines Sabbaticals existieren. Auch müssen klare Regeln getroffen werden, ob und wie Krankheitszeiten im Sabbatical angerechnet werden.

Die Motivation und Kreativität kann durch dieses Modell gesteigert werden, auch wird einem Burnout vorgebeugt. Probleme kann dem Arbeitgeber die Vertretung bereiten. Weiterhin kann die Wiedereinarbeitung nach einem Sabbatical für den Arbeitnehmer problematisch werden.

3.4 Instrumente/Maßnahmen zur dauerhaften Verringerung der Personalkapazität

Bei einer dauerhaften Kapazitätsreduzierung kommen vor allem folgende Instrumente/Maßnahmen in Betracht (vgl. Göritz u.a. 2012, S. 271 ff.):

  • Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen auf freiwilliger Basis
  • Altersteilzeit (wirkt aber nicht kurzfristig)
  • Angebot auf Abschluss von Aufhebungsverträgen
  • Angebot auf Wechsel in eine Transfergesellschaft
  • betriebsbedingte Kündigung

Im Folgenden werden die einzelnen Maßnahmen/Instrumente näher beschrieben.

3.4.1 Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen auf freiwilliger Basis

Teilzeitbeschäftigte sind Arbeitnehmer/innen, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer/innen des Betriebs. Ist eine solche nicht vereinbart, so ist diejenige maßgeblich, die im Jahresdurchschnitt auf eine Woche fällt (§ 2 TzBfG).

Durch die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen vermindert sich das individuelle Arbeitszeitvolumen und ist dadurch geeignet, Arbeitsplätze zu sichern. Allerdings zeigt die Praxis, dass die weit höhere Arbeitsproduktivität von Teilzeit-beschäftigten dazu führt, dass die Umwandlung dieser Stellen nicht in vollem Umfang der Sicherung von Arbeitsplätzen zu Gute kommt, sondern teilweise Arbeitsplätze auch vernichtet.