Forschungs- und Beratungsstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen Partnerschaft der Ingenieure und beratenden Betriebswirte
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Betriebs- und Dienstvereinbarungen

Leseprobe

5. Offene Probleme

In diesem Kapitel werden einige Fragen behandelt, die im Zusammenhang mit Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen auftreten können.

5.1 Zuständigkeiten von Betriebs- und Gesamtbetriebsrat

Plant der Arbeitgeber eine Betriebsänderung, muss er den zuständigen Betriebsrat informieren und mit ihm über die Herbeiführung eines Interessenausgleichs und den Abschluss eines Sozialplans verhandeln. Grundsätzlich ist der örtliche Betriebsrat für die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte nach § 111 ff. BetrVG zuständig. Ausnahmsweise kann die Zuständigkeit jedoch originär beim Gesamtbetriebsrat liegen, sofern die Betriebsänderung mehrere oder alle Betriebe eines Unternehmens gleichzeitig betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte voneinander getrennt geregelt werden kann (§50 Abs. 1 BetrVG). Beispielsweise besteht eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates bei der Stilllegung aller Betriebe eines Unternehmens (BAG 17.2.1982, AP Nr. 11 zu §112 BetrVG). Bei Zweifeln über die Zuständigkeit von Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat ist es Aufgabe des Arbeitgebers, die in Betracht kommenden Interessenvertretungen aufzufordern, ihre Zuständigkeit ggf. gerichtlich zu klären. Unterlässt der Arbeitgeber dies, trägt er das Risiko, eventuell mit dem falschen Gremium verhandelt zu haben (z. B. mit der Folge des Nachteilsausgleichs gemäß § 113 BetrVG laut BAG 24.1.1997, AP Nr. 16 zu \ 50 BetrVG).

Aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates für einen Interessenausgleich folgt nicht ohne weiteres seine Zuständigkeit für den Sozialplan (BAG 11.12.2001, AP Nr. 22 zu §50 BetrVG). Es muss auch diesbezüglich ein zwingendes Bedürfnis nach einer betriebsübergreifenden Regelung bestehen. Es kann u. U. darin gesehen werden, dass bei gleichzeitig geführten Sozialplanverhandlungen in einzelnen Betrieben vor Ort nur schwer die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Abschlüsse in ihrer Gesamtheit für das Unternehmen berücksichtigt werden kann. Will man diesem Gesichtspunkt Rechnung tragen, indem man die Sozialpläne in den einzelnen Betrieben zeitlich nacheinander verhandelt, entsteht ein weiteres Problem: Vermutlich werden die ersten Sozialplanabschlüsse materiell besser ausfallen als die letzten. Bei den zuerst abgeschlossenen Sozialplänen wird der Unternehmer noch nicht die mangelnde wirtschaftliche Vertretbarkeit des in Rede stehenden Sozialplanvolumens für das Unternehmen anführen können. Sofern in den Regionen vor Ort unterschiedlich hohe Arbeitslosigkeit besteht, sind aber dennoch unterschiedliche Abfindungen geboten, welche die entsprechenden Nachteile der regionalen Betroffenen berücksichtigen. Wie das Spannungsfeld zwischen dem Gesamtinteresse des Unternehmens und den regionalen Erforderlichkeiten austariert wird, ist im Einzelfall zu entscheiden. Grundsätzlich gilt: Das originäre Recht des Betriebsrates ist vorrangig, mit dem Ziel, insbesondere die jeweiligen betriebsspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Strittig ist zwischen Rechtssprechung und weiten Teilen der Literatur der Umfang der Regelungskompetenz des Gesamtbetriebsrates im Falle seiner originären Zuständigkeit. Das BAG hat entschieden, dass die Regelungsbefugnis umfassend ist und sich nicht nur auf eine Rahmenkompetenz beschränkt. Eine Aufspaltung der Zuständigkeit innerhalb eines Mitbestimmungstatbestandes auf mehrere betriebsverfassungsrechtliche Organe ist somit unzulässig (BAG 14.11.2006, AP Nr.43 zu §87 BetrVG).

In der Literatur wird dagegen vielfach die Auffassung vertreten, dass der Gesamtbetriebsrat seine Regelungskompetenz im Sinne einer Rahmenkompetenz nur in dem Umfang ausüben sollte, wie dies erforderlich ist (vgl. Fitting u.a. 2008, Rn. 28 zu §50 BetrVG m.w.N.). Dies hätte zur Folge, dass sich der Gesamtbetriebsrat sowohl beim Interessenausgleich als auch beim Sozialplan auf Rahmenregelungen beschränkt und deren nähere Ausgestaltung den jeweiligen Betriebsräten vor Ort überlässt. In Kapitel 2 sind einige Regelungen aus verschiedenen Interessenausgleichen dargestellt, in denen der Gesamtbetriebsrat nur den Rahmen-
Interessenausgleich abgeschlossen hat. Die örtlichen Betriebsräte konnten Details der Umsetzung der Betriebsänderung in zusätzlichen Vereinbarungen regeln.

5.2 Der Betriebsänderungsbegriff

Eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung liegt erst dann vor, wenn die geplante Maßnahme einen bestimmten Umfang (Abgrenzungsmerkmal ist oft die Zahl der Betroffenen) oder eine bestimmte Qualität (darauf verweisen die unbestimmten Rechtsbegriffe »grundlegend« bzw. »wesentlich«) annimmt und das Unternehmen eine bestimmte Mindestzahl von Beschäftigten aufweist. Da die Nachteile für die Betroffenen unabhängig von der Zahl der insgesamt Betroffenen bestehen, sind die zuvor genannten Abgrenzungskriterien nicht sachgerecht. Die Vorschläge des DGB zur Novellierung des BetrVG im Jahre 2003 sahen deshalb vor, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe im § 111 BetrVG entfallen sollten, was leider nicht realisiert wurde. Deshalb kommt es immer noch vor, dass Arbeitgeber systematisch versuchen, die Betriebsänderung in kleinere Einheiten aufzuteilen (»Salami-Taktik«), um sich der Sozialplanpflicht zu entziehen. In solchen Fällen kann der Betriebsrat nur versuchen, die Einzelmaßnahmen als zusammengehörige Planungsabsicht und Entscheidung des Arbeitgebers im Sinne einer unternehmerischen Gesamtplanung nachzuweisen. Eine gute Arbeit im Wirtschaftsausschuss und fundierte Kenntnisse über die wirtschaftlichen Planungen des Unternehmens erleichtern oft das teilweise schwierige Identifizieren von betriebsändernden Maßnahmen.

Nach BAG-Rechtsprechung stellt ein Inhaberwechsel (Betriebsübergang gemäß §613a BGB) für sich allein noch keine Betriebsänderung dar. Auch dies ist wenig sachgerecht, denn die Schutzfunktion des §613a BGB verhindert nicht, dass für Betroffene Nachteile eintreten. Deshalb wäre es erforderlich, auch den reinen Betriebsübergang als Betriebsänderung anzusehen. Auch hierzu gab es einen entsprechenden Vorschlag des DGB zur Novellierung des BetrVG, der gleichfalls nicht realisiert wurde. Die Regelungen in einem Sozialplan sind auf den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile beschränkt. Sinnvoll wäre es jedoch, wenn auch nicht wirtschaftliche Nachteile im Sozialplan ausgeglichen würden. Auch dazu wäre eine Novellierung des §112 Abs.l BetrVG erforderlich.

5.3 Verhandlungsanspruch des Betriebsrates beim Interessenausgleich

In der Rechtsliteratur zu § 111 BetrVG ist heftig umstritten, ob dem Betriebsrat zur Wahrung seiner Informations- und Beratungsrechte vor Abschluss des erforderlichen Interessenausgleichs ein Anspruch auf Unterlassung aller Maßnahmen zusteht, die eine Durchführung der Betriebsänderung beinhalten (z. B. Stilllegung von Betriebsteilen, Veräußerung und Abtransport von Maschinen, Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen, Beantragung von Versetzungen beim Betriebsrat, Kündigung von Mietverträgen). Das BAG hat die Frage zum Unterlassungsanspruch bisher nur in Bezug auf das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 BetrVG positiv für den Betriebsrat entschieden (BAG 3.5.1994, AP Nr. 23 zu §23 BetrVG 1972).

Hinsichtlich Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Durchführung betriebsändernder Maßnahmen, ohne dass der Arbeitgeber den Interessenausgleich ernsthaft versucht hat, ist zwischen einem materiellen Anspruch auf Unterlassung und einem Rechtsschutzinteresse des Betriebsrats zu unterscheiden. Nach herrschender Auffassung steht dem Betriebsrat ein materieller Unterlassungsanspruch nicht zu (vgl. Fitting u. a. 2008, Rn. 135 zu § 111 BetrVG). Denn erstens gehört der Interessenausgleich - anders als die Mitbestimmungstatbestände gemäß §87 BetrVG - nicht zum Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung. Zweitens gilt der § 113 BetrVG als Sanktionsnorm für den Arbeitgeber, wenn dieser eine Betriebsänderung ohne den ernsthaften Versuch des Interessenausgleichs realisiert. Allerdings ist durch die Sanktion nach §113 BetrVG keine ausreichende Absicherung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates gewährleistet. Demzufolge hat der Betriebsrat die Möglichkeit, die Instrumente zu nutzen, die die Verfahrensordnung für den einstweiligen Rechtsschutz zur Verfügung stellt. Das heißt, dass er seine Ansprüche auf Information und Beratung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgen kann (Fitting u. a. 2008, Rn. 134ff. zu § 111 BetrVG). Auch einzelne Instanzgerichte haben dem Arbeitgeber untersagt, Handlungen vorzunehmen, die bereits die Betriebsänderung ausmachen (ArbG Hamburg, Beschluss vom 15.1.2007, AuR 2007, 397).

Der Betriebsrat kann einen Antrag auf Unterlassung stellen, um seine Beteiligungsrechte zu sichern. Sinnvollerweise muss die Unterlassung solange erfolgen, bis die Rechtsansprüche des Betriebsrates auf Information und Beratung der Betriebsänderung vom Arbeitgeber erfüllt worden sind. Demnach längstens bis zum Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen in der Einigungsstelle. Solche rechtsschutzsichernden Anträge werden inzwischen von den Arbeitsgerichten oft im Sinne des Antragstellers entschieden. Selbst dort, wo dies nicht der Fall ist, ist der Betriebsrat nicht schlechter gestellt, als wäre er diesen Weg nicht gegangen. Daher sollte jeder Betriebsrat versuchen, im Konfliktfall seine Rechtsansprüche auf Information und Beratung einer Betriebsänderung auch arbeitsgerichtlich durchzusetzen. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit wäre es allerdings wünschenswert, einen Unterlassungsanspruch im BetrVG direkt zu verankern. Einem entsprechenden Vorschlag des DGB zur Novellierung des BetrVG 2003 ist der Gesetzgeber bislang nicht gefolgt.

5.4 Transfersozialplan

Durch die gesetzlichen Regelungen des SGB III für Zuschüsse zu Sozialplanleistungen wurden insbesondere die Zuschüsse zu Transfermaßnahmen gemäß § 216a SGB III rechtssicherer gestaltet. Es ist davon auszugehen, dass Transfermaßnahmen zukünftig verstärkt als Instrument in die Sozialpläne aufgenommen werden. Sie müssen im Rahmen auslaufender Arbeitsverträge umgesetzt werden. Das heißt: Sie müssen in den Betriebsablauf eingebunden und die Betroffenen für die Maßnahmen freigestellt werden. Dies führt in der bisherigen Praxis häufig zu Abstimmungs- und Koordinationsproblemen, insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung der Betroffenen bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist eingeplant hat.

Bei der Transferkurzarbeit (§ 216b SGB III) ist durch die Verkürzung der Förderdauer auf maximal 12 Monate das Ziel, Arbeitslosigkeit unter akzeptablen sozialen und materiellen Bedingungen hinauszuzögern, häufig in Frage gestellt. Gerade bei Betroffenen mit sehr langen Kündigungsfristen »rechnet« sich die Transfergesellschaft materiell nicht. Zudem ist das Hinausschieben der Arbeitslosigkeit zeitlich nicht mehr lukrativ.

Ein Problem, das beide Leistungen zum Transfersozialplan betrifft, sind die fehlenden Qualitäts- und Leistungsstandards für die angebotenen Betreuungs- und Reintegrationsmaßnahmen. Weder Betriebsräte noch Arbeitgeber noch insbesondere die betroffenen Beschäftigten können die Leistungsfähigkeit der Anbieter einschätzen. Verstärkt wird dieses Problem dadurch, dass in diesem neuen Markt immer mehr Unternehmen ihre Leistungen anbieten. Daher ist es dringend geboten, dass die Agentur für Arbeit, wie in anderen Bereichen schon geschehen, Qualitätsstandards für die Leistungsgewährung verbindlich regelt. Zudem sollte vorab ein Auswahlverfahren zwischen verschiedenen Anbietern durchgeführt werden, um durch Leistungsumfang und Kostenrahmen die Auswahlentscheidung zu erleichtern.

5.5 Änderung der sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen

In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber die sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen derart geändert, dass ein sozialverträglicher Personalabbau sehr erschwert, wenn nicht gar unmöglich wurde. Die Auswertung der Interessenausgleiche und Sozialpläne zeigt deutlich: Der »sozialverträgliche« Personalabbau hat vor allem das finanziell abgesicherte freiwillige Ausscheiden von rentennahen Beschäftigten zum Inhalt. Durch a) die sukzessive Anhebung der Regelaltersrente auf 67 Jahre, b) die Einführung der Rentenkürzungen bei vorzeitigem Rentenbezug im Umfang von 0,3% je Monat des vorgezogenen Rentenbeginns (max. 18% = 60 Monate), c) den Fortfall der Renteneintrittsmöglichkeiten mit Vollendung des 60. Lebensjahres für Frauen, Schwerbehinderten, Altersteilzeitarbeitnehmer und bei Arbeitslosigkeit, sind die rentenrechtlichen Rahmenbedingungen für solche Regelungen weitgehend entfallen. Einzig die Rente für langjährig Versicherte erlaubt noch einen Renteneintritt mit Vollendung des 62. Lebensjahres. Für diese Personengruppe wirkt sich jedoch nachteilig aus, dass die maximale Bezugsdauer des ALG für ältere Arbeitnehmer von 32 Monaten auf aktuell 24 Monate reduziert wurde.

Infolge dieser Veränderungen werden nun anstelle rentennaher Jahrgänge verstärkt jüngere Beschäftigte durch betriebsbedingte Kündigung ihren Arbeitsplatz verlieren. Insbesondere dann, wenn das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit bei der Sozialauswahl höher gewichtet werden als Kinder und Unterhaltspflichten. Die familien- und sozialpolitischen Folgen einer Politik, die einen sozialverträglichen Personalabbau in der bisherigen Art und Weise nicht mehr zulässt, wird diese Gesellschaft künftig beim Thema Familien- und Kinderarmut deutlich spüren.

5.6 Wirtschaftliche Vertretbarkeit/Konzernhaftung

Gemäß § 112 Abs. 5 Nr. 3 BetrVG kommt es bei der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplanvolumens im Regelfall auf das Unternehmen an. In Gemeinschaftsbetrieben (»ein Betrieb - mehrere Unternehmen«) ist die wirtschaftliche Situation aller beteiligten Unternehmen ausschlaggebend. Bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften (OHG, KG) ist hingegen nicht nur die wirtschaftliche Situation des Unternehmens entscheidend, sondern auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des voll haftenden Gesellschafters (Däubler u.a. 2008, Rn. 85 zu §§112,112a BetrVG).

Unternehmen haben in den letzten Jahren deutlich ihre Strukturen verändert. Früher waren Konzernbeziehungen und Unternehmensverflechtungen eher die Ausnahme und nur bei börsennotierten Großunternehmen anzutreffen. Mittlerweile wurden Maßnahmen zur Änderung der Unternehmensstrukturen (Fusionen, Unternehmensspaltungen) durch das Umwandlungsgesetz erheblich erleichtert. Konzernstrukturen sind im Rahmen einer rechtlichen Verselbständigung von wirtschaftlichen Spartenaktivitäten heute weitgehend üblich. Viele früher rechtlich unselbständige Betriebe wurden, auch aus Haftungsgründen, rechtlich verselbständigt. In solchen Strukturen werden Betriebsänderungen immer häufiger nicht mehr durch die örtlichen Unternehmensleitungen initiiert, sondern beruhen auf Entscheidungen oder Vorgaben durch die Konzernleitungen. Hinzu kommt, dass in Konzernen die wirtschaftliche Situation der einzelnen Konzernunternehmen zwischen Konzernunternehmen bestimmt wird: durch a) konzernweite Maßnahmen (u.a. konzerneinheitlicher Einkauf, Finanz- und Liquiditätsverbund, rechtliche Trennung von Produktion und Vertrieb) und b) die Festlegung von konzerninternen Zinssätzen und Verrechnungspreisen für den Bezug von Waren und Dienstleistungen. Dennoch ist es rechtlich umstritten, ob bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplanvolumens in solchen Fällen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Konzerns abgestellt werden kann. Nach herrschender Rechtsauffassung werden an den Berechnungsdurchgriff bzw. die Durchgriffshaftung im Konzern hohe Anforderungen gestellt. Auch hier wäre eine rechtliche Klarstellung in § 112 Abs. 5 BetrVG wünschenswert. Zumindest müsste in den Fällen, in denen die Durchführung der Betriebsänderung auf Entscheidungen der Konzernleitung zurückgeht (z.B. Konzentration von Konzernaktivitäten auf wenige Standorte), die Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit auf der Verursacherebene der Betriebsänderung, der Konzernebene, betrachtet werden. Immerhin kommen ihr auch die wirtschaftlichen Vorteile der eingeleiteten Maßnahmen zugute.

5.7 Steuerliche Behandlung der Abfindung

Bei der steuerlichen Behandlung von Abfindungen sind zwei Aspekte zu unterscheiden. Zum einen sind Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes Einnahmen im Sinne des EStG. Sie sind aber nicht sozialversicherungspflichtig. Da Abfindungen außerordentliche Einkünfte sind (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG), erfolgt zur Milderung der Steuerprogression die Besteuerung nach der so genannten Fünftelungsregelung. Das gilt jedoch nur, wenn sämtliche mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusammenhängenden Leistungen des Arbeitgebers innerhalb eines Kalenderjahres erfolgen. Das Steuerrecht spricht hier von einer Zusammenballung der Einkünfte.

Die Auswertung der Sozialpläne hat ergeben, dass sowohl im Bereich der Abfindungen (Zahlung einer zusätzlichen Abfindung bei längerer Arbeitslosigkeit) als auch insbesondere bei der befristeten Fortführung von Sozialleistungen durch den Arbeitgeber (z.B. Zahlung der vermögenswirksamen Leistungen für einen Zeitraum von 12 Monaten, Nutzung des Firmenwagens, Gewährung von Firmenrabatten für mehrere Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses) Regelungen vereinbart wurden, welche die Steuerbegünstigung gefährden. Selbst in Fällen, in denen der bisherige Arbeitgeber den von Arbeitslosigkeit Betroffenen über einen längeren, das Kalenderjahr überschreitenden Zeitraum im Rahmen des Sozialplanes eine Outplacement-Beratung zukommen lässt, damit sie wieder einen Arbeitsplatz finden, kann dies mit steuerlichen Risiken verbunden sein. Daher ist dringend anzuraten, alle Leistungen, die über das Kalenderjahr des Ausscheidens hinaus gewährt werden sollen, zu kapitalisieren und als Einmalbetrag der Abfindung zuzuschlagen.

Allerdings hat jüngst der BFH entschieden, dass eine steueroptimierte Auszahlungsregelung durch verschieben des Fälligkeitszeitpunktes der gesamten Abfindung oder eines Teilbetrages steuerunschädlich sein soll (BFH 11.11.2009-IX Rl/09).

5.8 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Durch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sollen Benachteiligungen aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindert oder beseitigt werden (§1 AGG).

Im Rahmen der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen (vgl. Laßmann 2008) und in Sozialplänen wird regelmäßig auch auf das Merkmal Lebensalter abgestellt. Geschützt wird sowohl vor einer Diskriminierung wegen hohen als auch niedrigen Alters. In § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG ist geregelt, dass Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen aufgrund des Alters oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind. Damit wird jedoch kein genereller Rechtfertigungstatbestand geschaffen. Vielmehr muss sich die Differenzierung einer Einzelfallprüfung unterziehen. Ergeben sich abhängig vom Lebensalter konkret unterschiedliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt, kann dies bei der Abfindungsregelung berücksichtigt werden.

Diese Regelung rechtfertigt es, Abfindungsbeträge zu vereinbaren, bei denen aufgrund der Betonung des Alters die von diesem ausgehenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden. Zulässig ist ebenfalls, Beschäftigte von Sozialplanleistungen auszuschließen, weil sie wirtschaftlich abgesichert sind. Dies gilt insbesondere, wenn sie nach dem Bezug von ALG Altersrente beanspruchen (vgl. BAG 26.5.2009 - 1 AZR 198/08). Auch die kumulative Gewichtung von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit kann zulässig sein. Jedoch muss die dadurch verursachte intensive Betonung des Lebensalters mit entsprechenden Nachteilen bei der Arbeitsplatzsuche einhergehen.

Kritisch zu bewerten ist es, wenn Abfindungsbeträge allein abhängig vom Lebensalter linear ansteigen. Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt sinken mit zunehmendem Alter nicht linear, sondern steigen je nach Beruf und Branche ab einem bestimmten Alter überproportional an. Dieser Anstieg sollte sich auch bei der Berechnung der Abfindung wiederfinden. Nützlich sind in diesem Zusammenhang entsprechende detaillierte Auswertungen der Bundesagentur für Arbeit, die dort auf Anfrage (allerdings kostenpflichtig) erstellt werden.

Geschlechterspezifische Regelungen finden sich nur selten, z.B. bei Aspekten der persönlichen Zumutbarkeit von Versetzungen und Umsetzungen. In anderen Regelungsbereichen werden »frauentypische« Arbeits- und Lebenssituationen bisher nur ausnahmsweise berücksichtigt. Beispielsweise fanden sich nur vereinzelt Regelungen für Alleinerziehende, für Beschäftigte in Elternzeit oder zu Arbeitszeiten, die sich an Betreuungszeiten von Kindergärten und Schulen orientieren. Gänzlich fehlen z. B. Abfindungsregelungen, die die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit nicht nur nach Alter, sondern auch nach Geschlecht getrennt bei der Berechnung berücksichtigen. Ebenfalls eignen sich Regelungen nur vereinzelt dafür, strukturelle Benachteiligungen von Frauen auszugleichen: z.B. indem Qualifizierungsmöglichkeiten speziell für weibliche Beschäftigte angeboten oder bestimmte Zulagen in niedrigen Tarifgruppen langsamer abgeschmolzen werden.

5.9 Tarifvertrag/dreiseitiger Vertrag

Häufig sind Ansprüche ausscheidender Arbeitnehmer bezüglich Urlaubsgeld, Jahressonderzahlungen und vermögenswirksamen Leistungen in einem Tarifvertrag geregelt. Der Tarifvorbehalt (§77 Abs. 3 BetrVG) gilt jedoch ausdrücklich nicht für den Sozialplan (§112 Abs. 1 BetrVG). Daher sollte der Betriebsrat bei den Verhandlungen darauf hinwirken, ein etwaig bestehendes Tarifniveau zu überbieten.

Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Unterstützung bei den Verhandlungen durch die Gewerkschaft. So können (ein entsprechender Organisationsgrad vorausgesetzt) Streiks oder bereits die Androhung von Streiks zur Durchsetzung eines Tarifsozialplanes den Arbeitgeber zu weitreichenden Zugeständnissen bewegen. Damit auch die nicht tarifgebundenen Beschäftigten in den Genuss von Leistungen des (Tarif-) Sozialplanes kommen, werden in diesen Fällen regelmäßig so genannte dreiseitige Vereinbarungen getroffen: zwischen dem Arbeitgeber auf der einen und der Gewerkschaft und dem Betriebsrat auf den beiden anderen Seiten. Dieses Regelungswerk beinhaltet Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung. Meist sind diese Vereinbarungen von allen drei Parteien unterschrieben, ohne die einzelnen Rechtsquellen (Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) der einzelnen Regelungsinhalte eindeutig zu bezeichnen. Dieser Praxis hat die Rechtsprechung des BAG mit Urteil vom 15.4.2008 (1AZR 86/07, NZA 2008,1074ff.) einen Riegel vorgeschoben. Im ersten Leitsatz der Entscheidung heißt es:

»Bestimmungen in gemischten, von Arbeitgeber, Gewerkschaft und Betriebsrat gemeinsam unterzeichneten Vereinbarungen sind unwirksam, wenn sich nicht aus diesen selbst ohne weiteres und zweifelsfrei ergibt, wer Urheber der einzelnen Regelungskomplexe ist und um welche Rechtsquellen es sich folglich handelt [...].«

Dreigliedrige Vereinbarungen sind nur dann wirksam, wenn sich die einzelnen Regelungsbereiche deutlich von einander abgrenzen lassen und deren Urheber jeweils eindeutig erkennbar wird. Teilweise wird daher in der Literatur die Auffassung vertreten, dass eine bloße Unterteilung durch Überschriften in tarifliche und betriebliche Bereiche dem Gebot der Rechtsquellenklarheit widerspricht (Grau/Döring 2008, S. 1338). Möglich ist z.B. eine Trennung in zwei einzelne Regelungswerke. Die tarifliche Regelung müsste durch Öffnungsklausel ausdrücklich den Abschluss einer gleichlautenden Betriebsvereinbarung erlauben. Dadurch würde aber die nicht zu unterschätzende Signalwirkung, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen, nicht erzielt. Vorzugswürdig ist daher die Zusammenfassung von tariflicher und betrieblicher Regelung in einer Urkunde. In einem ersten Abschnitt sind alle Maßnahmen der Beschäftigungssicherung umfassend im Rahmen eines Tarifvertrags festzuhalten. Die tarifliche Regelung erlaubt zudem in allen Regelungsbereichen ausdrücklich den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung (Öffnungsklausel). Unmittelbar daran kann sich in einem zweiten Abschnitt die entsprechende Betriebsvereinbarung anschließen, die sich im Geltungsbereich nur auf die nicht gewerkschaftlich organisierten bzw. übertariflichen Arbeitnehmer bezieht. Bei der Unterzeichnung ist jeweils darauf hinzuweisen, welche Vertragspartei für welchen Abschnitt zeichnet (Laßmann/Rupp 2009b).

5.10 Vorsorglicher Sozialplan

Mitunter ist zwischen den Betriebsparteien unklar, ob eine Betriebsänderung vorliegt. Sie können dann einen vorsorglichen (bedingten) Sozialplan aufstellen, für den Fall, dass es sich bei den Maßnahmen um eine Betriebsänderung handelt (vgl. BAG-Beschluss 22.7.2003, AP Nr. 160 zu 1112 BetrVG). Erzwingbar, etwa in der Einigungsstelle, ist der vorsorgliche Sozialplan nicht. Er ist nicht zu verwechseln mit dem so genannten Rahmensozialplan. Letzterer gilt für künftige Betriebsänderungen, die das Planungsstadium noch nicht erreicht haben. Auch diese Rahmenregelungen sind nicht erzwingbar, für sie gilt auch die Tarifsperre des §77 Abs. 3 BetrVG. Ein Rahmensozialplan schränkt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei einer später anstehenden Betriebsänderung nicht ein. Häufig werden Rahmenvereinbarungen von übergeordneten Mitbestimmungsträgern (z.B. vom KBR) abgeschlossen, um Mindeststandards festzuzurren. Vorsicht gilt jedoch, wenn die in der Zukunft liegende Betriebsänderung bereits in groben Umrissen abgeschätzt wird. In diesem Fall ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich des Sozialplanes, dann verbraucht (BAG- Beschluss 26.8.1997, AP Nr. 117 zu §112 BetrVG). Der Interessenausgleich muss aber dennoch verhandelt werden. Daher sollte sich der Betriebsrat erst gründlich über die künftigen kurz- und mittelfristigen Planungen (am besten schriftlich) informieren lassen, externe Sachverständige hinzuziehen und erst auf einer gesicherten Informationsgrundlage in die Verhandlungen eintreten.

5.11 Namensliste zum Interessenausgleich

Durch das Gesetz zur Reform am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (Bundesgesetzblatt I, S. 3002) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.1.2004 erneut auch außerhalb der Insolvenz für Kündigungen aufgrund einer Betriebsänderung in §1 Abs. 5 KSchG die so genannte Namensliste wieder eingeführt. Diese Vorschrift: galt schon einmal zwischen 1996 und 1998 und besagt Folgendes: Sind bei betriebsbedingten Kündigungen die Beschäftigten, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet (Namensliste), wird gemäß §1 Abs. 5 KSchG gesetzlich vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Gleichzeitig kann die soziale Auswahl der Beschäftigten von den Arbeitsgerichten nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. In den ausgewerteten Interessenausgleichen fanden sich zahlreiche Namenslisten. Dies erstaunt, da Gewerkschaften und arbeitnehmerorientierte Anwälte grundsätzlich davon abraten (vgl. Perreng 2004, S. 13ff.; Däubler u. a. 2008, Rn. 18k zu § 112a BetrVG). Denn Namenslisten schränken den Kündigungsschutz erheblich ein und bürden den Betroffenen die Beweislast auf. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die z.T. gegen §1 Abs. 5 KSchG erhoben wurden (vgl. z. B. Däubler u. a. 2008, Rn. 18e zu § 112a BetrVG), hat das BAG verworfen (BAG 6.9.2007 - 2 AZR 715/06, DB 2008, 640).

Im Zusammenhang mit der Namensliste zum Interessenausgleich gibt es eine Reihe zu klärender Punkte, die nachfolgend dargestellt werden.

Umfang der gerichtlichen Kontrolle und Beweislastumkehr

Im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses können Arbeitsgerichte in vollem Umfang prüfen, ob der Arbeitsplatz der/des Gekündigten tatsächlich weggefallen ist. Ohne Namensliste lag die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitgeber. Mit Namensliste wird aber nun »vermutet«, dass die Kündigung durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Daraus folgert das BAG, dass jetzt die/der Betroffene in vollem Umfang darlegen und beweisen muss, dass die Kündigung nicht durch betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt ist (BAG 7.5.1998 - 2 AZR 536/97). Die Vermutungswirkung erstreckt sich außerdem auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG: Der Gekündigte muss genau darlegen und im Bestreitensfall beweisen, dass es einen freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen für ihn gibt. Das wird ihm in der Regel nicht gelingen, denn in beiden Fällen fehlen ihm die entsprechenden Kennmisse. Er sollte allerdings darauf bestehen, dass der Arbeitgeber ihm die Gründe mitteilt, die ihn zu seiner Entscheidung bewogen haben. Hierauf haben Gekündigte einen Rechtsanspruch gem. § 1 Abs. 3, 2. Halbsatz KSchG. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, ist die Kündigung ohne weiteres als sozialwidrig anzusehen (BAG 10.2.1999 - 2 AZR 716/98, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste).

Die Sozialauswahl - die Entscheidung, welchen Mitarbeitern gekündigt wird - unterliegt nur dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab der »groben Fehlerhaftigkeit«. Grob fehlerhaft i.S.v. §1 Abs. 5 Satz 2 KSchG ist eine Sozialauswahl allerdings nur, wenn ein augenfälliger Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jegliche Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG 21.9.2006 - AZR 760/05). Dass gegen einen solch groben Prüfungsmaßstab verstoßen wird, ist eher selten. Dies verschlechtert die kündigungsschutzrechtliche Position der Gekündigten weiter.

Namensliste auch bei Änderungskündigungen?

Das BAG hat inzwischen entschieden, dass sich Namenslisten auch auf Änderungskündigungen erstrecken können (BAG 19.6.2007 - AZR 304/06, AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste). Die Reichweite der Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG erstreckt sich danach sowohl auf den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu den bisherigen Bedingungen als auch auf das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit zu den bisherigen Bedingungen im Betrieb. Bei einer gerichtlichen Überprüfung, ob die angebotene Vertragsänderung vom Arbeitnehmer hingenommen werden muss, liegt die Darlegungs- und Beweislast aber nach wie vor beim Arbeitgeber. Jedenfalls dann, wenn der Interessenausgleich keine inhaltlichen Vorgaben bezüglich des Änderungsangebots enthält. Arbeitgebernahe Rechtsanwälte empfehlen daher, entsprechende inhaltliche Vorgaben in den Interessenausgleich mit aufzunehmen (vgl. Schiefer 2009, S. 548). Der Betriebsrat muss sich darauf jedoch nicht einlassen.

Zulässigkeit einer Teil-Namensliste?

In die Namensliste eines Interessenausgleichs nach § 1 Abs. 5 KSchG dürfen nach einem aktuellen Urteil des BAG (26.3.2009 - 2 AZR 296/07) ausschließlich Beschäftigte aufgenommen werden, die aus der eigenen Sicht der Betriebsparteien aufgrund der dem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung zu kündigen sind. In der Literatur umstritten und vom BAG in seiner neuesten Entscheidung auch ausdrücklich offen gelassen ist die Frage, ob auch eine Teil-Namensliste, in der nicht alle aufgrund einer Betriebsänderung zu Entlassenden namentlich aufgeführt sind, den gesetzlichen Anforderungen des 11 Abs. 5 Satz 1 KSchG genügt. Der Gesetzeszweck und die an die Namensliste geknüpften Rechtsfolgen verlangen, dass in ihr ausschließlich Beschäftigte bezeichnet sind, die aus der eigenen Sicht der Betriebsparteien aufgrund der dem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung zu kündigen sind. Auch darf das Zustandekommen der Einigung der Betriebsparteien nicht auf außerhalb des Gesetzeszwecks liegenden Erwägungen der Betriebsparteien beruhen (z. B. Vermeiden einer Sperrfrist durch die Bundesagentur für Arbeit, vgl. BAG 26.3.2009 - 2 AZR 296/07). Nur unter diesen Voraussetzungen ist ausreichend sichergestellt, dass sich die Betriebsparteien in jeder Hinsicht bei der Erstellung der Namensliste mit der Betriebsnotwendigkeit der Kündigung der in ihr Genannten befasst haben und sich Gedanken darüber gemacht haben, welche Arbeitnehmer als vergleichbar für eine Sozialauswahl in Betracht kommen, welche soziale Rangfolge zwischen ihnen besteht und wer aus der Sozialauswahl ausscheidet (vgl. BAG 22.1.2004-2 AZR 111/02, AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 Namensliste = EzA Nr. 11 zu §1 KSchG Interessenausgleich; 6.12.2001 - 2 AZR 422/00, EzA Nr. 9 zu §1 KSchG Interessenausgleich).

Namensliste und Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG

Das BAG hat in Übereinstimmung mit der herrschenden Literaturansicht entschieden, dass § 102 BetrVG nicht durch § 1 Abs. 5 KSchG verdrängt wird (BAG 20.5.1999 - 2 AZR 148/99, AP Nr. 4 zu §1 KSchG 1969 Namensliste). Allerdings kann der Arbeitgeber die Betriebsratsanhörung gemäß §102 BetrVG mit den Verhandlungen über einen Interessenausgleich verbinden (BAG 20.5.1999 - 2 AZR 148/99, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste). Fast alle Interessenausgleiche, die eine Namensliste enthielten, hatten auch einen Absatz zur Betriebsratsanhörung dergestalt, dass mit Abschluss des Interessenausgleichs auch das Verfahren nach § 102 BetrVG abgeschlossen ist. Doch auch wenn diese Möglichkeit genutzt wird, trägt der Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Kohte 1998, S. 950).

Formale Anforderungen an eine Namensliste

Das BAG hat eine wichtige Entscheidung zu formellen Vorgaben bei betriebsbedingten Kündigungen mittels Interessenausgleich getroffen (Beschluss vom 6.7.2007 - AZR 520/05): Verstößt der Arbeitgeber gegen das strenge Schriftformerfordernis und unterlässt es, die Namensliste zu unterzeichnen, kann die auf der Namensliste basierende Kündigung rechtswidrig sein.